Es folgt ein Gastbeitrag von Oliver, in Logbüchern auch bekannt unter „doktorpepper“. Er ist 27 Jahre alt und wohnt in Stuttgart. Geocaching hat er seit April 2010 für sich entdeckt. Seine Webseite ist unter www.schweizwochen.de zu finden.
Auch wenn Geocaching unser aller Faible und Lieblingszeitvertreib ist, so muss das Geld für unser Hobby auf anderer Weise verdient werden. Für meinen Teil tue ich das als Heilerziehungspfleger in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung. Für mehrere Jahre begleitete ich bis vor kurzem einen jungen Mann (37) mit Behinderung in Form von Einzelbetreuungen zur Freizeitgestaltung und dem Vermitteln von lebenspraktischen Fertigkeiten.
Was hat all das mit Geocaching zu tun?
Der junge Mann lebt bei seinen Eltern und fühlt sich von Fernseher und Computer stärker angezogen als von Spaziergängen. Bei Ausflügen in die Stadt nimmt er lieber den Bus, den er ja auch samt Begleitperson kostenfrei nutzen kann, nach Ansicht der Eltern sollte er jedoch viel mehr laufen. Keine einfache Situation, wenn man sie durch die Brille eines Heilerziehungspflegers betrachtet. Auf der einen Seite steht die Selbstbestimmung, die eines der wichtigsten Schlagwörter unseres Berufs ist. Menschen mit geistiger Behinderung sind keine Kinder und dürfen daher auch nicht als solche behandelt und bevormundet werden. Wenn unsereins den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzt sagt uns auch niemand, was wir zu tun und lassen haben, erst Recht nicht die Eltern. Auf der anderen Seite ist jedoch der aus gesundheitlicher und medizinischer Sicht durchaus richtige Wunsch der Eltern, dass sich der Sohn mehr bewegt.
Nun, da komme ich ins Spiel. Warum nicht das Schöne mit dem Praktischen verbinden? Ich erzähle den Eltern und dem Mann, den ich betreue, von meinem Hobby Geocaching. Dabei betone ich besonders den Charakter einer Schatzsuche und die Möglichkeit Dinge in den Dosen zu tauschen. Das Interesse ist geweckt und es bedarf keiner wirklichen Überzeugungsarbeit. Für die nächste Einzelbetreuung steht Geocaching auf dem Programm!
Die Cacheauswahl muss in diesem Falle anders erfolgen, als wenn ich selbst auf Dosensuche gehe. Hier zahlt sich die Premiummitgliedschaft aus. Die von mir selten genutzten Pocket Queries erweisen sich als äußerst nützlich. Ich suche nach Caches im engeren Umkreis der Wohnung die bestimmte Kriterien erfüllen: Multi-Cache (schließlich soll der junge Mann ja laufen), Terrain bis maximal 2 (eine leichte Gehbehinderung könnte bei schwierigem Terrain sonst zum Problem werden), Schwierigkeit ebenso (nur Erfolgserlebnisse motivieren für weitere Cachesuchen) und länger als 10 Kilometer sollte die Runde auch nicht sein. Wichtig ist auch die Behältergröße, alles was kleiner ist als Small kommt nicht in Frage, denn das Tauschen ist zentraler Bestandteil der Motivation. Auch Stadtcaches flogen gleich alle raus, denn das unauffällige Verhalten bei der Suche könnte zum Problem werden… So bleiben gar nicht mehr so viele Caches übrig und es ist schnell eine Auswahl getroffen.
Am verabredeten Tag bringe ich drei ausgedruckte Caches mit und lasse ihn selbst entscheiden. Die Wahl fällt auf eine rund vier Kilometer lange Runde durch den Wald. Die Stationen sind die eines Waldlehrpfades. Die Fragen sind nicht allzu schwer und gut zu beantworten. Natürlich trage ich das GPS-Gerät nicht selbst sondern gebe es ausnahmsweise mal aus der Hand, das sorgt schon für ein strahlendes Gesicht. Am Final angekommen erblicke ich das Versteck dank geübtem Blick sehr schnell, aber halte mich absichtlich zurück und überlasse das Erfolgserlebnis, den Cache gefunden zu haben, meiner Begleitung. Die Dose ist gefüllt mit den üblichen Krimskrams, aber das ist in diesem Falle genau das Richtige. Die Freude ist groß und wieder ist jemand mit dem Geocachingfieber angesteckt.
Die Idee das Geocaching im Rahmen der Einzelbetreuung anzubieten war ein voller Erfolg und letztendlich waren alle Seite zufrieden: Die Eltern waren froh, dass ihr Sohn eine so lange Strecke gelaufen ist und das freiwillig und voller Freude, er selbst war glücklich über den gefundenen „Schatz“ und ich habe einen netten Cache und habe dabei sogar noch ein paar Euro verdient. Es blieb nicht die einzige Cachetour mit ihm…
Neue Caches müssen nicht immer schwieriger und länger oder noch besser versteckt werden… Was für manche langweilig erscheint ist für andere (und eben nicht nur Kinder) genau das Richtige.
Gerade beim Thema „barrierefreies Cachen“ sollte man sich verschiedene Punkte vor Augen führen: Behinderung heißt nicht zwangsläufig Rollstuhl. Vor allem im Wald sind rollstuhlgeeignete Caches schwierig zu realisieren. Aber auch Menschen mit geistiger Behinderung kann man das Cachen erleichtern, wenn unnötige Zahlenwert- oder Quersummenrechnereien vermieden werden und die Stages eindeutig und lösbar sind. Das wichtigste aber wäre schon getan, wenn gerade beim Rollstuhl-Icon vor dem Anklicken gut überlegt würde, ob der Cache von einem Rollstuhlfahrer wirklich (alleine!) zu heben wäre. Leider habe ich schon viele Caches geloggt, wo das trotz entsprechendem Icon kaum vorstellbar ist.
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